Subtil, beseelt und ausgewogen

Eine Woche gastierte das Schweizer Jugend-Sinfonie-Orchester in Interlaken. Bis zehn Stunden täglich wurde Brahms’ Chorwerk Deutsches Requiem einstudiert. Die öffentliche Hauptprobe war Start zur Herbsttournee.

Täglich übte das Schweizer Jugend-Sinfonie-Orchester (SJSO) in Interlaken bis zu 10 Stunden in Register- und Gesamtproben. Die 15- bis 25-jährigen Musikerinnen und Musiker schenkten zusammen mit ihrem Dirigenten Kai Bumann ihre Aufmerksamkeit dem bekanntesten Chorwerk «Ein deutsches Requiem» von Johannes Brahms. Das SJSO wagte sich an ein Chorkonzert. «Es stand schon länger auf der Hitliste», sagte Stiftungsratspräsident Rudolf Remund. «Die Werke werden von den Mitwirkenden ausgesucht.»

Keine Sekunde langweilig

Erst zum Abschluss fanden gemeinsame Proben mit dem Accroche-Choeur aus Freiburg statt. «Es ist super, in einem so guten Orchester zu spielen, und erstaunlich, wie schnell in einer Woche ein solches Werk erarbeitet und aufgebaut werden konnte», lobte die Kontrafagott-Spielerin Jenny Choulat aus Le Locle. Und die vier Oberländer Svend Meinen (Boltigen), Thomas Zaugg (Frutigen), Nao Rohr und Evelyn Brunner (Thun) sind von der Zusammenarbeit begeistert. «Zu Beginn war ich wegen des Riesenwerks mit Chor skeptisch, aber ab der ersten Probe von Anfang an begeistert», verriet auch Katharina Litschig aus Aarau. «Es ist eines der schönsten Werke, und es kam bisher selten vor, dass es mir in den Proben keine Sekunde langweilig wurde», fügte die junge Cellistin an.

ffentliche Hauptprobe

An der öffentlichen Hauptprobe in Interlaken präsentierten 85 junge Orchestermusiker und der 95-köpfige Chor mit den Nachwuchssolisten Angela Kerrison, Sopran, und Simon Schnorr, Bariton, ein erstaunliches Resultat und bewiesen, dass sie für die Herbsttournee startklar sind. Eindringlich, subtil, beseelt stimmte das SJSO in das trostvolle Werk ein. Tiefsinnige Ergebenheit von Bratschen, Celli, Kontrabass, Pauken und Hörnern drückten typische brahmssche Färbung aus. In geheimnisvollen Harmonien setzte der L’Accroche-Choeur aus Freiburg ein. Gedämpfte Farben wurden durch zarte Harfen- und Flötenklänge aufgehellt. Die eindrücklichen Worte, die der Komponist als Kenner des Alten Testaments selbst zusammenstellte, wirkten mit ausgewogenem Chorklang, deutlicher Aussprache und Mitgefühl des aussagenden Inhaltes ergreifend und tröstend.

Perfekte Balance

Eindrücklich wirkten nebst präzisen Einsätzen auch die grossartig bestechenden dynamischen Abstufungen. Es gelang Bumann mit weichem Klang des Chores, ein musikalisches Gleichgewicht zwischen dem Menschen (dem Chor) und dem Göttlichen (den Solisten) herzustellen. Er fand die perfekte Balance zwischen Tiefgründigkeit und fliessender Bewegung. Aufhorchen liessen die Sopranistin Angela Kerrison mit leuchtend ausgeglichener Stimme und Simon Schnorr als fundierter Bariton. Das Werk wurde mit unterschiedlichen Klangfarben beleuchtet, ergreifend, nachdenklich über die Vergänglichkeit menschlichen Lebens und zugleich in die Zukunft weisend.

Heidy Mumenthaler