Brahms Requiem ergreifend dargeboten

Hauptprobe des Jugendsinfonieorchesters in der Aula

Das Schweizer Jugendsinfonieorchester (SJSO) unter seinem Dirigenten Kai Bumann und Vokalensemble L’Accroche-Choeur Fribourg sowie die Gesangssolisten Angela Kerrison und Simon Schnorr boten mit «Ein deutsches Requiem» von Johannes Brahms eine musikalische Sternstunde.


Eine eindrückliche Kulisse: Je rund 80 Instrumentalisten und Choristen interpretieren Brahms Requiem. Fotos: Samuel Wenger

Am 10. April 1868 dirigierte der 36-jährige Johannes Brahms im Bremer Dom das Werk, das ihm europaweit Bekanntschaft und riesige Anerkennung einbrachte. Es trägt den Titel «Ein deutsches Requiem». Eine Totenmesse, ein Bittgesang für die Errettung der Verstorbenen aus der Verdammnis und ihre Erhebung in die Gefilde der Seligen. Dies ist das Konzept aller herkömmlichen Requiems nach traditionellem Text in lateinischer Sprache. Nicht so bei Brahms. Er hat den zentralen Gedanken, die Bitte um die ewige Ruhe der Toten, umgewichtet und den Trost derer, die um Verstorbene trauern, ins Zentrum gerückt. Sein Requiem in deutscher Sprache ist den Lebenden und ihrer Vergänglichkeit gewidmet. So hat er sowohl das jüngste Gericht ausgelassen als auch auf die Errettung durch Christus Sühnetod weggelassen. In akribischer Arbeit hat Brahms das Alte und Neue Testament durchforscht und aus Psalmen und Texten der Propheten und Apostel seine eigene persönliche Abfolge gestaltet.

Biografische Verbindungen
Die Entstehungsgeschichte ist stark mit Brahms eigenen Erlebnissen verbunden. Der Tod seines Freundes und Mentors Robert Schumann 1856 und der Hinschied seiner Mutter 1865 haben ihn zehn Jahre lang beim Erarbeiten des monumentalen Werkes für Soli, Chor und Orchester beschäftigt. Das Resultat ist ein ergreifendes, geradezu packendes Ringen der Menschen im Bewusstsein ihrer Vergänglichkeit und im Wissen darum, einmal dem Tode ausgeliefert zu sein. Umso eindrücklicher dann der alles überstrahlende Zuspruch des Trostes mit den Worten: «Der Tod ist verschlungen in den Sieg». Brahms nannte seine Komposition bewusst ein deutsches Requiem. Wenn er mit dem unbestimmten Artikel in seiner Bescheidenheit eine Ein- und Unterordnung im Auge hatte, so beansprucht sie heute Einmaligkeit und einsame Grösse.


Volle Aufmerksamkeit bei den Cellistinnen und Cellisten.

Berufene Interpreten
Im Frühjahr und Herbst begibt sich das Schweizer Jugendsinfonieorchester nach einer einwöchigen Vorbereitungszeit auf eine Tournee in sechs Schweizer Städte. Ein abendfüllendes Chorwerk ist die grosse Ausnahme in der Programmgestaltung des Orchesters, stehen doch sonst Sinfonien und Solokonzerte im Zentrum. Für einmal ist das Orchester gleichermassen auf die Zusammenarbeit mit einem grossen Chor und Gesangssolisten ausgerichtet. Dies ist eine gewinnende Aufgabe, wenn man sich inne wird, welch grossartige Verflechtung der musikalischen Aussage Brahms im Miteinander von Instrumental- und Singstimmen gestaltet wird. Eine Woche hat das SJSO eine schöne Tradition unter idealen Bedingungen im Artos und in der Aula unter seinem Dirigenten Kai Bumann das knapp 80-minutige Werk erarbeitet und am Sonntagnachmittag in der Aula der Sekundarschule als Generalprobe dargeboten. Als ideale Partner wirkten die zwei Gesangssolisten, die Sopranistin Angela Kerrison und der Bariton Simon Schnorr, sowie das Vokalensemble L`Accroche-Choeur aus Freiburg, von seinem Leiter Jean-Claude Fasel aufs Beste vorbereitet. In allen Teilen darf die Aufführung als musikalische Sternstunde bezeichnet werden. Trotz der grossen Anzahl Instrumentalisten und Choristen wurde bei reinster Intonation der ganze, reiche, dynamische Bereich der sieben Teile ausgelotet, von den feinsten tragenden Piani bis zu den triumphalen Forti, wobei es der Dirigent verstanden hat, Zurückhaltung zu üben, um dann die entscheidenden Aussagen der Bibeltexte umso wirkungsvoller erklingen zu lassen. Es war in jeder Beziehung ein Hochgenuss. Der Dank und Applaus der Hörerschar wollte kein Ende nehmen. Schaffhausen, Bern, Fribourg, Genf, La Chaux-de-Fonds und Zürich dürfen sich auf ein wahrhaft musikalisches Ereignis freuen.


Souverän führt der Dirigent Kai Bumann durch das 80-minutige Werk.
Ein Ausschnitt von der grossen Schar.
Die Blechbläser in vollem Einsatz.
Der Paukist hat gewichtige Einsätze.

Samuel Wenger